· 

Von Wertschätzung und Respekt und ein wenig Selbstreflexion

Akita-Hündin Myuki (c) Marlen Maurer-Brandenberg
Akita-Hündin Myuki (c) Marlen Maurer-Brandenberg

Ich bin in der Hundetrainerszene ein No-name, ein "absolut beginner". Ich hab noch viel zu lernen - in Theorie und auch Praxis. Und trotzdem getraue ich mich "schon jetzt" mit Hund und Mensch zu arbeiten - ja, soviel Selbstbewusstsein hab ich und das kommt nicht von ungefähr.

 

Mein Weg mit dem eigenen Hund war lang, mein Berufswunsch wurde belächelt und als Träumerei abgetan. Letztendlich hatte ich das Glück, auf die richtigen Menschen zu treffen, die mich in meinem Vorhaben unterstützen.

 

Was diese Unterstützung bis heute ausmacht, ist eine Haltung aus Wertschätzung und Respekt ALLEN Lebenwesen gegenüber, die Fähigkeit sich in den anderen reinzufühlen - man nennt es Empathie - mir als Anfängerin ein Sicherheitsnetz zu spannen, in dem ich mich entfalten darf, mich mutig aber nicht übermütig werden lässt und mein Vertrauen in mich und das, was ich weitergeben möchte stärkt. Fühlt sich ziemlich gut an, denn ich darf Schritte gehen, die meinem persönlichen (Lern-)Tempo entsprechen. Ich werde in meinen Fähigkeiten und meinem Selbstbewusstsein gestärkt, was mir enorme Sicherheit gibt.

 

Ich kenne aber auch die "andere" Seite - ich hatte mit Menschen zu tun, von denen ich mir erhoffte, lernen zu können. Es hat nicht funktioniert. Kritische Fragen waren nicht kritisch, sondern verletzend. Ich fühlte mich fehl am Platz. Meine Art, wie ich mit Hunden "arbeiten" wollte, wurde als zu weich abgetan. Ich wurde unsicher und mutlos. - Ich als Mensch hatte die Wahl, so lange zu suchen, bis das Umfeld, in dem ich mich heute entfalten darf, gefunden war und passte.

 

Willy & me <3
Willy & me <3

Unsere Hunde haben diese Möglichkeit nicht! Unsere Hunde werden nicht gefragt, mit welchen Menschen und in welchem Umfeld sie leben wollen. Sie werden nicht gefragt, wie sie erzogen und trainiert werden wollen. Viele von ihnen müssen funktionieren, sich unterordnen, womöglich noch einem selbsternannten Chef folgen, sich Grenzen fügen, die mit aller Macht aufoktruiert werden, ungeachtet dessen, ob die Lebensqualität der Hunde darunter leidet.

 

Als Hundetrainer, als Hundehalter aber in erster Linie als Menschen haben wir die Pflicht, unsere Hunde respektvoll und mit Feingefühl zu begleiten. Aversive Trainingsmethoden haben AUSGEDIENT! Ein für allemal! Abgesehen davon, dass sie niemals dienlich waren. Es ist wissenschaftlich mehrfach erwiesen, dass Hunde über Emotionen verfügen, hoch sozial sind, unsere Sprache verstehen, Persönlichkeit haben und damit verbunden, individuelle Bedürfnisse! Hunde haben Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie gekonnt einsetzen, wenn man sie lässt und sie dabei unterstützt, diese zu entwickeln. Dazu braucht es weder Rudelführertum noch Allmachtsfantasien.

 

Trainern der sogenannten "Wattebauschwerfer-Fraktion" - der ich nun auch angehöre ; ) - wird nur allzu oft und mitleidig lächelnd vorgeworfen, Hunden keine Grenzen aufzuzeigen und dass sie "den Namen der Hunde im Wald tanzen" würden, wie ich erst kürzlich lesen durfte ; ) Weit gefehlt. Nur wenn man einem Lebewesen Achtsamkeit, Respekt, Vertrauen und Empathie entgegenbringt, wird es ein Potenzial aus Selbstbewusstsein, Mut und seinerseits wieder Vertrauen entwickeln. Druck erzeugt Gegendruck, noch immer. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Einen Hund z.B. in eine Situation zu zwingen, nur um ihm zu zeigen, dass er es auszuhalten hat, zeugt in erster LInie von einem sehr armseligen menschlichen Verhalten.

 

Die Mär vom Rudelführer - nachzulesen auf ullihunde.com
Die Mär vom Rudelführer - nachzulesen auf ullihunde.com

Dieser Text entstand aus konkretem Anlass, der sich vor einigen Monaten in meinem persönlichen beruflichen Netzwerk abspielte. Es ging dabei um den Vorwurf, dass ein einfühlsames Miteinander Hunde zu asozialen, aggressiven Wesen werden lässt. Ein durch und durch abwegiger Gedanke, der jeglicher Grundlage entbehrt. Denn einfühlsames Miteinander, bedeutet nicht, Hunde allein zu lassen, ihnen keinen Rahmen vorzugeben oder keine Grenzen zu setzen. Ganz im Gegenteil - es liegt in unserer Verantwortung als Trainer und Hundehalter, ganz genau hinzusehen und herauszufinden, was für unsere Hunde nötig ist, damit sie sich entsprechend ihrer Möglichkeiten in unserer Gesellschaft bewegen können.

 

Ich bin mir bewusst, dass das eingangs erwähnte Beispiel von manchem belächelt werden wird, dass man mich eventuell als sentimentales Weichei bezeichnet. Ja, eine andere Person würde mit "meinen" Herausforderungen anders umgehen. Es war und ist meine ganz persönliche, individuelle Angelegenheit, in der ich nur so reagieren und agieren konnte und kann, wie es meinem Wesen entspricht. Genauso gibt es bei Hunden große Unterschiede. Was den einen nicht mal juckt, bedeutet für den anderen eine mittlere "Katastrophe". Und darauf ist - mit Verlaub - Rücksicht zu nehmen, wenn wir sichere und eigenständig denkende (das ist das Gegenteil von funktionierend!) Hunde "hervorbringen" wollen, die gerne mit uns leben.

 

Mein Wunsch ist es, dass Menschen, die sich dazu entscheiden, mit einem oder mehreren Hunden durchs Leben zu gehen, lernen, genauer hinzusehen, Methoden, auch jene, die von Züchter-Seite kommen, und Menschen, die Hunde trainieren, kritisch zu hinterfragen, wieder auf das eigene Bauchgefühl zu hören und unsere Hunde als fühlende, kompetente Lebewesen wahrnehmen!

 

Und so dürfen wir einfach nicht müde werden, für unsere Hunde und alle anderen Lebenwesen aufzustehen, aufzuzeigen und aufzuklären. Meine geschätzten Kolleginnen tun das immer wieder - u. a. mit Fachbeiträgen und Gedanken zum Leben mit Hund und zahllose andere TrainerInnen auch! Sie alle zeigen auf, dass viele "Probleme" hausgemacht sind und es sehr einfach wäre, mit ein wenig Selbstreflexion auf das Lebenwesen Hund entsprechend einzugehen.

 

 

Marlen Maurer-Brandenberg und Ulli Reichmann über Gewalt in der Hundeerziehung, Ulli Reichmann über Rudelführertum und Sabine Wöhner über Hundeprobleme - Problemhunde...

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Doro (Donnerstag, 29 November 2018 21:50)

    Toll geschrieben, vielen Dank �❤️

  • #2

    Inga Hauser (Freitag, 30 November 2018 08:53)

    Wunderbarer Text, liebe Sabine - das sind die Basics, auf die sich jede/r besinnen sollte, wenn er mit Lebewesen zu tun hat... und wie oft muss man erleben, dass Hunde in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen und als Lebewesen zweiter Klasse gesehen werden. Der Hund als "der beste Freund des Menschen"...dahinter verbirgt sich meistens die Idee, dass der Hund gefälligst für seine Menschen da zu sein hat, ohne Rücksicht darauf, was für ihn wichtig und gut ist. Deshalb braucht es immer wieder und immer mehr von deinen Texten.
    Danke dafür!

  • #3

    Michèle Roncaglioni (Freitag, 30 November 2018 18:07)

    Ich freue mich immer sehr über solche Texte. Willkommen in der Wattebäuschchenfraktion oder beim esoterischen Hundetraining (habe ich auch schon gehört). Ich freue mich einfach darüber, dass es immer mehr Menschen gibt, welche mit Einfühlungsvermögen dem wirklichen Wesen Hund nöher kommen und damit der Wissenschaft immer einen Schritt voraus sind � Danke Sabine �

  • #4

    Sabine (Freitag, 30 November 2018 19:46)

    Ich danke euch!! <3

  • #5

    Petra (Samstag, 01 Dezember 2018 04:54)

    Ich habs ja immer schon gesagt... Dz schreibst so irre gut.
    Auf den Punkt gebracht. Super.
    Habs der Olivia vorgelesen.....lach... und sue findet es ebenfalls genial und schlabbert Dich grad ab in ihren Träumen.��